Mittwoch, 29. März 2017

Wertevermittlung

Sebastian Kurz, Bundesminister ohne Berufsausbildung – ja das muss man erwähnen, damit Jugendliche, welche die Schule oder das Studium abbrechen sehen, dass man auch ohne Ausbildung Karriere machen kann, hat sein Integrationsgesetz durchgebracht.

Dazu gehört auch, dass asylberechtigte Mindestsicherungsbezieher im Zuge eines Integrationsjahrs gemeinnützige Tätigkeit verrichten müssen. Soweit so gut. Allerdings wird diese Tätigkeit nicht bezahlt. Ein Null-Euro-Job, wenn man so will. Dafür bekommen sie ja die Mindestsicherung, wird argumentiert. Ja, eh.

Aber welche Werte werden diesen Menschen da genau vermittelt? In Österreich ist Arbeit nichts wert. Man muss zwar arbeiten, aber es wird schlecht bis überhaupt nicht honoriert. Genau diese Werte werden vermittelt. Na ja, so weit entfernt von der Realität ist das eigentlich eh nicht.

Man hätte es natürlich auch anders machen können. Die Tätigkeit wird, wie es der Kollektivvertrag vorsieht, entlohnt. Und im selben Ausmaß der Nettoentlohnung wird die Mindestsicherung gesenkt.

Den Menschen würde vermittelt werden, dass Arbeit in Österreich einen Wert hat und entsprechend entlohnt wird. Das will man allerdings vermeiden. So entsteht beim Integrationsjahrabsolventen der Eindruck, dass er zwar arbeiten muss, diese Arbeit allerdings wertlos ist und er als Bittsteller auf Almosen angewiesen bleibt.

Das sind die christlich-sozialen Werte der ÖVP.

Donnerstag, 23. März 2017

Neulich in der Schnellbahn

22.03.2017, 16:39, Bahnhof Meidling, Bahnsteig 3. Ich besteige den letzten Waggon der Schnellbahn Richtung Wolkersdorf, finde einen freien Sitzplatz, okkupiere diesen sogleich, nehme ein Buch zur Hand und beginne zu lesen. Das heißt, ich versuche zu lesen. Es fällt mir schwer, den Sinn des Gelesenen zu erfassen. Die Sätze lösen sich auf in Buchstaben, machen was sie wollen und weigern sich einen Sinn zu ergeben. Nach fünf Minuten gebe ich auf, resigniere und stecke das Buch in meine Tasche.

Ich blicke mich kurz um. Da sehe ich, was ich akustisch die längste Zeit wahrnehme und, obwohl ich mich redlich bemühe, nicht ignorieren kann. Schräg vis-à-vis sitzt – eigentlich liegt sie mehr, als sie sitzt – ein Mädchen, geschätzte sechzehn Jahre jung und telefoniert in einer Lautstärke, dass es jeder Fahrgast dieses Waggons hören muss. Ober er will oder nicht.

Sie ist offensichtlich nicht der gleichen Meinung, wie ihr Gesprächspartner, da, da sie mehrmals „fick dich“ ins Telefon schreit. Dann beruhigt sie sich wieder.

„Nein Mama, ich weiß nicht, ob ich den Job verliere. Heute bin ich wieder in der Mittagspause eingeschlafen und niemand hat mich aufgeweckt. Irgendwann hat mich der Chef aufgeweckt. „
….
„Das war jetzt das zweite Mal, dass er mich schlafend angetroffen hat.“
….
„Ich habe nicht gesagt, dass ich den Job verliere. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich die restliche Zeit immer pünktlich in der Firma bin. Du weißt ja, wie gerne ich verschlafe.“
….
„Nein Mama, ich bin jetzt im zweiten Lehrjahr. Eineinhalb Jahre immer pünktlich sein, das werde ich nicht schaffen.“
….
„Wenn ich arbeitslos bin, brauche ich eine eigene Wohnung. Dann habe ich Anspruch auf Mindestsicherung und kriege die achthundert Euro. Oder ich melde mich obdachlos, dann bekomme ich auch das Geld.

Die Diskussion um Arbeits- und Obdachlosigkeit und den damit verbundenen Möglichkeiten Sozialhilfe zu lukrieren nimmt kein Ende. Als der Zug in die Station Praterstern einfährt, steht das Mädchen auf, schultert ihren Rucksack und geht zur Tür.

„Nein Mama, ich komme heute nicht nach Hause. Ich muss jetzt aussteigen.“ Sie beendet das Gespräch und steigt aus.

Der Zug fährt ab. Ich schaue geistesabwesend aus dem Fenster. Das Gespräch geht mir nicht aus dem Kopf. Übernächste Station muss ich aussteigen, denke ich mir.

Die Türen schließen sich, die Schnellbahn nimmt wieder Fahrt auf. Ich muss dann aussteigen, merke ich mir vor. Seit wann fährt der Zug über die Donau auf dem Weg von Meidling zum Handelskai? Ich bin verwirrt. Es dauert etwa zehn Sekunden, bis ich realisiere, dass ich meine Station verpasst habe. In Floridsdorf wechsle ich den Bahnsteig und fahre wieder zurück.

Montag, 20. März 2017

Karl Hackler und die Arbeitszeitflexibilisierung

Arbeitszeitflexibilisierung – das Viagra der Wirtschaftskammer. Darunter verstehen Christoph Leitl und Freunde einen 12 Stunden Arbeitstag ohne Überstundenentlohnung. Dafür bekommt man Freizeit, wenn es weniger Arbeit gibt.

Beispiel. Ein Angestellter, anzuwendender Kollektivvertrag ist jener für Angestellte im Metallgewerbe, verdient brutto € 3.000,00. Eine Überstunden mit 50 % Zuschlag beträgt brutto € 31,47. Eine Stunde Normalarbeitszeit beträgt € 17,96. Bei einer Stunde hat der Arbeitnehmer eine Bruttolohneinbuße von € 13,51. Kein Wunder, dass die ÖVP-Granden allesamt feuchte Hoserln bekommen, wenn Sie an den Wegfall der lästigen Überstunden denken.

Aber Geld ist nicht alles. Wie sieht es mit der Zeit aus? Bleiben wir bei dem Angestellten und nennen wir Ihn Karl Hackler. Hackler benötigt von zu Hause bis zur Arbeitsstätte eine halbe Stunde. Das macht eine Stunde Gesamtfahrtzeit. Acht Stunden Arbeitszeit, eine halbe Stunde unbezahlte Pause, eine Stunde für Duschen, Rasieren Zähneputzen und Kacken, eine halbe Stunde Abendessen und acht Stunden Schlaf. Das sind dann 19 Stunden. Verbleiben fünf Stunden für Haushalt, Freizeit und Kinder.

Muss Karl Hackler jetzt 12 statt 8 Stunden arbeiten, bleibt ihm für Haushalt, Freizeit und Kinder eine ganze Stunde. Aber das ist natürlich nur Theorie, denn diese Stunde bleibt ihm nicht. Die verstreicht, da er nach zwölf Stunden Arbeit zu erschöpft ist, irgendetwas zu machen. Das macht natürlich nichts, denn Frau Hackler ist ein verständnisvolles Eheweib, das ihr Schicksal einsichtig lächelnd erduldet. Blöd nur, wenn Elvira Hackler ebenfalls berufstätig ist und einen Dienstgeber hat, der sie zu zwei 12-Stunden-Tage pro Woche verdonnert.

Dann, ja dann müssen die Hackler halt schauen, wie sie das auf die Reihe kriegen. Denn: Geht`s der Wirtschaft gut, geht`s uns allen gut.